WIR BRAUCHEN FEMINISMUS!


Wir haben.Mit dem Österreichischen Woman magazin über Feminismus und Gleichberechtigung gesprochen – nicht nur, aber auch in beziehungen. Hier der volle artikel:

WIR BRAUCHEN FEMINISMUS!

Kluge Texte sind ihr Markenzeichen. Dass man sich oft selbst einen Reim darauf machen muss, ist beabsichtigt: „Wir wollen den Leuten Interpretationsfreiheit geben“, sagt Inga Humpe. Konkret wird sie, wenn’s um ihr Herzensanliegen geht: „Meine Message hinter jedem Lied ist gleich: Alles, was Frauen stark macht, wird gebraucht.“ Gut, dass die Sängerin, die mit Schwester Annette in der 80ern bei Neonbabies und DÖF zur New-Wave-Ikone wurde, seit 24 Jahren einen Verbündeten hat: Tommi Eckart, Lebensgefährte, Mitbegründer von 2raumwohnung und „männlicher Feminist“.

Am 16.6. erscheint „Nacht und Tag“, das achte Album des Berliner Elektropop-Duos, auf dem es alle Songs zweimal gibt: Die Nachtversion ist clubbig, das Tag-Gegenstück swingt. (Zum Album geht’s hier)

Und weil Humpe die Promotion „mit den ewig gleichen Fragen immer anstrengend“ findet, suchte sie sich das Thema fürs Interview gleich selber aus: „Reden wir doch über Feminismus.“ Machen wir!

 

„ES IST GUT, DASS ALLES MAL RAUSKOMMT!“

WOMAN: Sie sind seit 24 Jahren miteinander glücklich. Wie funktioniert es so gut?
HUMPE: Das wissen wir nicht. Aber wir versuchen jedenfalls, respektvoll mit uns und mit unseren Freunden und Familien umzugehen. Das ist auch nicht immer leicht.
ECKART: Vielleicht, weil wir uns immer als gleichberechtigt sehen. Sowohl bei unserer Arbeit als auch im Alltag.

WOMAN: Ein Aspekt, der Ihnen wichtig ist – Sie bezeichnen sich ja beide als Feministen. Weshalb engagieren Sie sich da so?
ECKART: Wir brauchen Feminismus! Unsere Gesellschaft gibt sich gerne den Anschein, unheimlich gleichberechtigt zu sein – gerade mit dem Seitenblick auf andere Länder. Dabei wird übersehen, wie ungerecht es eigentlich noch bei uns zugeht. Und wie das hingenommen wird. Wie viele Männer sogar meinen, dass an ihrer Überlegenheit was dran sei, mit komischen Argumentationen, wie dass der Schachweltmeister ja auch männlich sei. Solche Sachen diskutiert man dann erstaunlicherweise mit ganz normalen Leuten.
HUMPE: Mit scheinbar aufgeklärten Menschen …

 

WOMAN: Wie haben Sie denn selbst das Frauenbild an Ihrer Mutter erlebt?
HUMPE: Ein bisschen ungewöhnlich für die Zeit, weil mein Vater ein sehr häuslicher Mann war. Der hat gekocht und schon in den 1950er-Jahren das Geschirr abgewaschen. Und unsere Mutter war ein bisschen unmütterlich. Die hat lieber Klavier gespielt.

WOMAN: Dann haben Sie also gleich ein ganz gutes Selbstvertrauen als Frau ins Leben mitbekommen?

HUMPE: Das kann ich nicht sagen. Das Selbstvertrauen wankt immer noch und muss immer wieder erneuert werden.

WOMAN: Warum, glauben Sie, funktioniert die Gleichberechtigung für Frauen nicht?
ECKART: Weil wir in einer Männerwelt leben. Und Männer sind zum Teil dagegen. So einfach ist das.
HUMPE: Ich glaube, es funktioniert nicht, weil sie fürchten, sie hätten einen Nachteil, wenn sie etwas von ihrem Teil abgeben würden. Außerdem glauben viele auch aus einem verdrehten Selbstbewusstsein heraus, ihnen stünde es zu, dass sie ein bisschen besser bezahlt werden und es überhaupt etwas besser haben.

WOMAN: Aber das hat sich doch sicher im Laufe der Jahre verändert, alleine durch den Generationensprung?
HUMPE: Leider kann man nicht sagen, dass die älteren Männer da grundsätzlich Schwierigkeiten damit haben und die jüngeren besonders offen sind. Ich hab auch mit 20-jährigen Jungs gesprochen, und die waren nicht nur alle Bauarbeiter. Es gibt auch Literaturstudenten, wo so Sprüche kommen wie: Na, wir in Deutschland haben doch eine Kanzlerin, hier wird doch der Feminismus voll gelebt. Wozu braucht man da Feminismus?
ECKART: Viele warten ja nur drauf, dass sich jemand rauswagt, um ihm dann eins auf die Mütze zu geben. Wenn man sich für etwas einsetzt, heißt es gleich: Ja, Gutmenschen! Das ist derzeit grundsätzlich so mit dieser ganzen Facebookbesserwisserei. Egal, was gemacht wird, irgendeiner regt sich immer auf. Da muss man sich einen Regenmantel anziehen, um das an sich abperlen zu lassen.

WOMAN: Dass Gutmensch zum Schimpfwort wurde, ist ja schon ein Paradoxon.
ECKART: Das Maximum an Zynismus eigentlich.

WOMAN: Interessant ist, dass gerade jemand wie Donald Trump einiges bewegt hat. Einerseits ist es unglaublich, dass ein sexistisch agierender Mann Präsident der USA werden kann, andererseits ist der Protest dagegen, der Feminismus, jetzt wieder in!
HUMPE: Ja, auf der ganzen Welt gibt es immer diese zwei großen Lager, die wirklich genau das Gegenteil wollen. Deshalb ist es gut, dass alles mal rauskommt und transparent wird. Dass es „normal“ wird, darüber zu reden, was sich früher nicht einmal schlimme Rechte zu sagen getraut hätten. Dadurch kann man auch reagieren.

WOMAN: Und jetzt gehen Frauen auf die Straße, die „Emanzen“ davor vielleicht fad und unlustig gefunden haben.
ECKART: Weil man vor zehn Jahren in diesem positivistischen, hedonistischen Zeitgeist das Gefühl hatte: Wenn man problematisiert, wirkt das uncool. Jetzt wird wieder diskutiert. Und so fürchterlich Trump ist oder der Brexit – es ist ein Trost, dass dadurch Leute wachgerüttelt werden, dagegenhalten, doch für Europa entscheiden. Wenn es Brexit nicht gegeben hätte, wären die Wahlen in Frankreich vielleicht anders ausgefallen.
HUMPE: Und jetzt haben wir ja einen Macron, der mit einer viel älteren Frau zusammenlebt, großartig! Der macht ja alles auf, was bei Politikern so an schwachsinnigen Regeln herrscht!

WOMAN: Freut Sie das auch, weil Sie selbst um sieben Jahre älter sind als Tommi und damals sicher viele geunkt haben, dass das nicht hält?
HUMPE: Es freut mich schon, dass solche kleingeistigen Vorbehalte keine Wahrheit haben.


WOMAN: Sie haben ja 2010 gesagt, dass Sie eine offene Beziehung leben. Inzwischen sind sieben Jahre vergangen. Ist das Konzept also empfehlenswert?
HUMPE: Dieses Konzept ist wie ein Plakat zu sehen, das an der Wand hängt. Es ging uns eigentlich nur um den Wunsch, ehrlich miteinander umzugehen. Es trägt zur Entwicklung bei, dass man sich dadurch auch mal weh tut und einen Konflikt erlebt.

Interview: (C) Barbara Poche, Fotos: (c) Astrid Grosser